Herbsttage oder Erntezeit

Ein bekannter Kettenhotellier verdoppelt die Azubi-Gehälter und behauptet, dass es eher ein Führungsproblem, als einen Fachkräftemangel in der Hotellerie gibt. Der Boss einer weiteren Kette hingegen sieht genügend tolle Beispiele für exzellente Führung und meint, dass wir mehr über die positiven Entwicklungen der Branche reden müssen.

Ja was denn nun?

Unbestritten ist, dass ein Unternehmen nur dann am Markt bestehen und sich weiterentwickeln kann, wenn es alle drei Felder des magischen Dreiecks aus Gast, Mitarbeiter und Stakeholder bedient. Wer zu Lasten der Mitarbeiter nur auf Gästezufriedenheit setzt, wird am Ende alleine dastehen. Wer glaubt, dem durch eine drastische Anhebung der Löhne, ohne  Rücksicht auf die Stakeholder, entgegenzuwirken, arbeitet sich zügig in den Ruin. Und wer nur auf den größten Profit achtet ohne die Gäste- oder Mitarbeiterbedürfnisse zu würdigen, der hat unsere Branche noch nicht verstanden.

Die Diskussionen zeigen, dass es keine allgemein gültige Lösung gibt, denn die Ketten-Hotellerie agiert aus der Position der finanziellen Stärke, die sie sich zweifelsohne in den letzten Jahren hart erarbeitet hat, aber es gibt eben auch den Mittelstand, der teilweise mit Personaleinsatz-Quoten zwischen 35 und 42 Prozent arbeitet und damit keine Spielräume hat, um die Löhne mal eben  zu verdoppeln.

Der DEHOGA hat beim IW-Köln eine Studie in Auftrag gegeben, die zu der Erkenntnis kommt, dass unsere Branche mit knapp 1,9 Millionen Beschäftigten, einem Netto-Jahresumsatz von über 80 Milliarden Euro und einer Brutto-Wertschöpfung von knapp 45 Milliarden Euro zu den größten Säulen der Gesamtwirtschaft zählt. Schaut man sich die Zahlen im Detail an, erkennt man, dass diese Entwicklung auf die ständige Erweiterung der Bettenkapazitäten in den Ballungsräumen zurückzuführen ist. 80 Prozent der Umsätze werden von nur 20 Prozent der bestehenden Betriebe erwirtschaftet. Und hier beginnt das Dilemma, denn die Kaufkraft in den ländlichen Regionen erlaubt auf den ersten Blick keine mutigen Preiserhöhungen, die mehr Spielraum für kräftige Lohnsteigerungen geben würden. Das wiederum führt zu einer Abwanderung von Fachkräften in die Ballungsräume und verstärkt den Abwärtstrend.

Der Ansatz kann also nur sein, durch eine außergewöhnliche Personalentwicklung und Führung, die Selbstverantwortung zu stärken und jeden Mitarbeiter zu einem wahren Botschafter des Unternehmens zu machen.  Das bedeutet gleichzeitig,  sich selbst nicht als letzte Instanz zu sehen, sondern die Mitarbeiter dazu zu ermutigen Fehler zu machen und daraus zu lernen. Führung wird mehr und mehr zu Moderation und Coaching. Durch gemeinsame Entwicklung von Visionen und Zielen entstehen dauerhafte Gemeinschaften, die nicht beim erstbesten Job-Angebot auseinanderbrechen. Jetzt ist die Zeit für Führungskräfte zu reflektieren, welche Stärken sie haben und welche Entwicklungsfelder sie bearbeiten wollen. Jetzt ist die Zeit die Prozesse für das kommende Jahr zu planen und die Umsetzung voranzutreiben. Jetzt ist die Zeit die eigene Unternehmensstrategie zum Thema Mitarbeiter zu definieren.

Gleichzeitig muss jeder Handgriff dahingehend überprüft werden, ob er vereinfacht, digitalisiert oder fremd vergeben wird, um die verbliebenen Fachkräfte optimal für die Kernaufgabe Gästebetreuung einzusetzen und den Wert unserer Dienstleistung zu steigern.  Gute Mitarbeiter gehen dorthin, wo sie ihre Fähigkeiten sinnvoll einsetzen können und dafür die nötige Wertschätzung erfahren.  Geld ist ein Teil dieser Wertschätzung und die Entwicklung der Löhne ist längst überfällig. Die Re-Finanzierung könnte über eine flexible Preisgestaltung erfolgen, die sich nach Angebot und Nachfrage richtet, das heißt wer partout am Samstagabend seine Veranstaltung plant, der zahlt eben mehr, weil es nur 52 Samstage im Jahr gibt. Und wer unbedingt bis fünf Uhr morgens feiern möchte, wird entsprechend zur Kasse gebeten. Was in anderen Branchen schon längst Gang und Gäbe ist, müssen wir mutig bei uns umsetzen, auch zum Schutz der eigenen Mitarbeiter.

Abwarten ist keine Lösung, sondern Ärmel hochkrempeln und anpacken.

Gute Beispiele dafür gibt es genug, so wie Alexander Wurster, der mit dem Parkhotel Schillerhain einen herausragenden Betrieb in Kirchheimbolanden führt. Dort haben die Mitarbeiter Entscheidungsbefugnisse, tragen Verantwortung und  danken es mit langjähriger Treue. Azubi’s werden mit Ihren Familien zum Essen eingeladen und Alexander erklärt, was auf die Schützlinge so alles zu kommt. Es gibt einen strukturierten Onboarding-Prozess, regelmäßige Kommunikation, einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess und noch vieles mehr.

Wer ernten will muss erstmal säen, sagte sich auch die Familie Iskra, die mit dem Hotel Strandkind ein leuchtendes Beispiel an der Ostsee führt. Und da bewirbt sich der Boss Olaf Iskra per Videobotschaft bei seinen zukünftigen Mitarbeitern. Herrlich zu sehen, wie der Wind sein Unterfangen erschwert, denn da zeigt sich der authentische Humor von seiner besten Seite und sorgt für mittlerweile über 35000 Aufrufe auf Facebook.

Jana Mager vom Waldblick in Pulsnitz, hat kräftig in die Küche und das Restaurant investiert, um die Produktion für die Mitarbeiter zu erleichtern, Laufwege zu verbessern und damit mehr Zeit für die Gästebetreuung zu gewinnen. Dauerhaft steigende Umsätze sind das Ergebnis.

Es gibt noch mehr gute Beispiele, die alle Eines vereint, der Mut andere Wege zu gehen und eigene Fußspuren zu hinterlassen. Das ist Unternehmertum, welches sich langfristig auszahlt.

Geerntet wird nach der Arbeit!

Titelbild: pixabay